Branddrama von Odessa: Europarat wirft Kiew mangelnde Aufklärung vor
16:50 04.11.2015(aktualisiert 17:05 04.11.2015) Zum Kurzlink
Eineinhalb Jahre nach dem Brand-Desaster mit Dutzenden Toten in Odessa haben die ukrainischen Behörden noch immer keine objektive Untersuchung durchgeführt, so der Befund einer Expertengruppe des Europarates. Grund dafür sei unter anderem die mangelnde Unabhängigkeit der Ermittler.
Die schleppenden ukrainischen Ermittlungen zu der Feuerkatastrophe entsprächen nicht den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Expertengruppe, die im April 2014 auf Anregung des Generalsekretärs des Europarats, Thorbjörn Jagland, ins Leben gerufen worden war.
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In ihrem Bericht, der am Mittwoch in Kiew vorgestellt wurde, kritisieren die Autoren, dass die Ermittlungen nicht von einem unabhängigen Gremium, sondern vom ukrainischen Innenministerium geleitet wurden.
Die Ermittler hätten es an Sorgfalt mangeln lassen. So sei erst sieben Monate später untersucht worden, warum die Feuerwehr mit 40 Minuten Verspätung eingetroffen war. Besorgniserregend sei auch die Entscheidung der ukrainischen Justiz, „mangels Beweisen“ die Ermittlungen gegen zwei Aktivisten einzustellen, denen unter anderem Mord in mehreren Fällen zur Last gelegt wurde.
Odessa-Massaker endlich unabhängig aufklären
Dass der Europarat so deutliche Worte für die mangelnde Aufklärung des Verbrechens vom 2. Mai 2014 gefunden habe, sei zu begrüßen, kommentierte Andrej Hunko von der Fraktion DIE LINKE für Sputnik.
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„Der Bericht des Europarats zum Odessa-Massaker zeigt in aller Deutlichkeit den politischen Bankrott der herrschenden Eliten in der Ukraine“, kommentierte Hunko, Mitglied des EU-Ausschusses des Bundestags sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. „Es muss endlich zu einer unabhängigen Aufklärung der Vorfälle kommen – vor allem auch des Brandes im Gewerkschaftshaus. Die Bundesregierung und die EU müssen unnachgiebig darauf drängen und notfalls auch Konsequenzen ziehen und Kooperationen in Frage stellen.“
Es sei ein Skandal, dass gegen mindestens 119 Opfer Anklage erhoben worden sei, während die Verantwortlichen für das Massaker weiter auf freiem Fuß seien, so der Parlamentarier weiter. „Während sich seit dem Putsch im Februar desselben Jahres die Oligarchen das Land neu aufteilen, bleibt die Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke.“
Die 48 Toten von Odessa
Am 2. Mai 2014 war es in Odessa zu Ausschreitungen zwischen Anhängern eines Referendums und Schlägern des ultranationalistischen Rechten Sektors gekommen. Die Extremisten steckten ein Zeltlager in Brand, in dem Unterschriften für ein Referendum über die Zukunft des Gebietes Odessa gesammelt wurden. Mehrere Anti-Maidan-Aktivisten versteckten sich im benachbarten Gewerkschaftshaus.
Die Polizei sah tatenlos zu, wie regierungstreue Nationalisten die Ausgänge versperrten und das Gebäude mit Molotow-Cocktails bewarfen. 48 Menschen verbrannten bei lebendigem Leibe oder starben beim Sprung aus dem Gebäude. Aktivisten, denen es gelang, sich aus den Flammen zu retten, wurden brutal niedergeschlagen. Der damalige Gouverneur der ukrainischen Schwarzmeerregion verteidigte das Vorgehen der Schläger sogar als rechtmäßig.
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